8. Jan. 2016

(10.1.2016) Zum letzten Teil meines vorläufigen Fazits. Welchen Sinn macht (m)eine solche Arbeit? Dies ist neben verwaltungsinternen Angelegenheiten auch ein Dauerthema bei bei den German Doctors – aber wahrscheinlich bei allen Hilfsorganisationen -, was sich auch in dem Namenswechsel von ‘Deutsche Ärzte für die Dritte Welt’ (Was würde wohl ein Inder sagen, wenn ich mit einer solchen Aufschrift herumlaufen würde; fühlt er sich als Dritte Welt?) zu ‘German doctors’ zum Ausdruck kommt. Nachdenklicher werde ich schon bei dem Mottowechsel von ‘Jeder Einzelne zählt’ zu ‘Hilfe, die bleibt’.

2016-01-07_bild120Hilfe zur Selbsthilfe ist sicherlich ein lohnenswertes Ziel. Ob dies aber absehbar/überhaupt hier erreicht werden kann, ist ungewiss; ich habe nach dem hier Erlebten meine Zweifel. Da finde ich mich in dem alten Motto eher wieder.

Macht es Sinn, den berühmten ‘Tropfen auf den heißen Stein’ zu geben? Das unendliche Elend hier und weltweit werden wir ohnehin nicht beseitigen können. Wenn ich – wie heute zum letzten Mal – in der Slumambulanz vor meinen Patienten sitze, meine ich: ja, es macht Sinn!  Auch zuhause kann ich in meiner Praxis nicht die Gesundheitsziele der WHO verwirklichen; vielleicht komfortabler, vielleicht medizin(techn)isch ein Stückchen weiter, aber grundsätzlich auch nicht.

Kann ich mehr erreichen, wenn ich in die (Aus-)Bildung der Kinder investiere und sie zur Selbsthilfe ertüchtige, wie zum Beispiel das Schulprojekt H.E.L.G.O. e.V., das Ausgangspunkt meiner Unternehmung war und das ich auf der Seite ‘Das Projekt‘ beschrieben habe?

Wahrscheinlich ja, aber ich habe nun mal nur Arzt gelernt.

2016-01-07_bild121Mein Patenjunge Waquar in HELGO, für den ich seit sieben Jahren die Schulkosten übernommen habe, der sich gut entwickelt hat und den ich natürlich hier besucht habe.

Evelyn hat seit Jahren ein Hilfsprogramm aufgebaut, das meinen Vorstellungen von ‘Hilfe zur Selbsthilfe’ entspricht: für Kinder aus den uns inzwischen bekannten Slums den Besuch einer privaten Schule (nicht deutsches Niveau) ermöglichen, weil man in den staatlichen Schulen außer Auswendiglernen nichts lernt. Immerhin lernen sie so schreiben, lesen und zählen, damit sie wenigstens nicht in jedem Geschäft oder auf dem Markt beschissen werden können. Für 20€ können diese Kinder ein Jahr lang die Schule besuchen und 20€ für Schulmaterial und -uniform kaufen. Sie kontrolliert den Schulerfolg der über 300 Kinder jedes Jahr selber und verfolgt deren Entwicklung. Leider wurde ihre Webseite gerade von Hackern zerschossen: www.kalkutta-hilfe.de.

(hierzu will Evelyn mir 2 Bilder schicken von den stolzen SchülerInnen mit ihren Zeugnissen und der Entwicklung eines Kindes)

All meine Beobachtungen sind aus der Sicht dessen gemacht, der hier im Projekt nur die unterste Unterschicht dieser Gesellschaft kennengelernt hat. Zur Oberschicht, in der es alle “Errungenschaften der Zivilisation” gibt, hatte ich keinen Kontakt.

Stumpfe ich bei soviel täglichem Elend dagegen ab? Ich glaube nicht, aber eine gewisse (therapeutische) Distanz ist als Selbstschutz erforderlich. Trotzdem werden mich einige Patientenschicksale weiter beschäftigen.