Es ist Wochenende ohne großes Programm und das ist auch gut so. Am 3. Dezember hatte ich begonnen, über unseren Arbeitsalltag zu schreiben. Der Ablauf zeigt, dass nicht viel freie Zeit übrig bleibt.
Wenn alles aufgebaut ist – an einigen Stationen sind gewisse, minimale Einrichtungen und Strom/Wasser schon da, an anderen muss alles mitgebracht werden – und die Patienten gestempelt sind, gehen die drei bzw. zur Zeit an einem Standort nur zwei Ärzte/Ärztin mit ihren Übersetzerinnen an ihre Plätze und die Patienten werden hereingerufen. Dabei sitzen an den meisten Standorten zwei Ärzte in einem Raum.
Die Patienten haben bei ihrer ersten Registrierung eine Gelbe Karte (= Patientenakte bekommen) in die alle Kontakte mit den German Doctors und ihrer kooperierenden Stellen eingetragen werden. Dies geschieht in englisch nach einem bestimmenten Schema (SOAP = Anamnese/ Befund/ Diagnose/ Therapie), aber die Handschriften und die undurchschaubaren englisch/indischen Abkürzungen machen es nicht gerade leichter. Dazu bringen die Patienten häufig eine Fülle von auswärtigen Befunden (Labor/ Röntgen/ Fachambulanzen u.a., letztere häufig unsleserlich) in Plastiktüten mit.
Viele der Patienten sind “Routine”-Patienten mit den hier sehr häufigen Diagnosen Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2, welches genetisch bedingt ist. Die bei uns häufig als Wohlstandsfolge bezeichneten Diagnosen kann man hier einem ausgemergelten Rickschafahrer nicht andichten, obwohl es auch hier durch falsche Ernährung Übergewichtige gibt. Aber wer froh ist, überhaupt etwas zu essen zu haben, dem kann man schwerlich etwas von “richtiger” Ernährung vermitteln.
Auch bekomme ich hier die Anschauung vermittelt, warum Tuberkulose bei uns früher ‘Schwindsucht’ hieß. Zu den Krankheiten und wie persönlich damit umgehe, werde ich später berichten.
Die Patienten werden bis 13 Uhr behandelt, zuerst die Kinder, dann die Frauen und Männer. Dann ist Lunchbreak aus dem mitgebrachten Henkelmann.
Ab 13:30 geht’s weiter, bis alles abgearbeitet ist so gegen 16 Uhr. Einpacken und Rückweg je nach Stausituation – meist indisch heftig – und Rückkehr gegen 18 Uhr. Abendessen aus der Küche indisch immer frisch gekocht, aber zum Glück nicht immer spicy. Gegen 22 Uhr sind die meisten verschwunden.
Gestern ist Silvia (erfahrene German Doctors-Kollegin) angekommen und heute haben wir einzelne Ecken von Kalkutta besucht; es gibt so viel zu sehen, nicht nur die Sehenswürdigkeiten (Marbel Palace, der große wuselige Howrah Station (Bilder davon findet man zu hauf im Internet), sondern auch die vielen kleinen Bilder: die spielenden Kinder …
… die heruntergekommenenen, alten englischen Villen und Prachthäuser mit ihren fayencengeschmückten Eingängen und Innenhöfen …
… die endlos vielen Kleinsthänder, Straßenküchen, Handwerker, Tempelchen und, und, und, bis hin zum Krematorium.
Ich (und nicht nur ich) schaffe nur einen Bruchteil von dem, was ich mir/wir uns vorgenommen haben: insofern habe ich schon ein wenig von der indischen Mentalität angenommen.
So auch mit dem Blog; jetzt ist Schlafenszeit und Schluss für heute.