Komisches Gefühl. Sonst, wenn ich abreise, gehe ich zu den Mitarbeitern und verabschiede mich.
Gestern kamen einige Mitarbeiterinnen zu mir, um sich zu verabschieden. Warum?
Seit voriger Woche sind hier Sommerferien (wir sind hier unter dem Äquator). Sie dauern acht Wochen und gehen bis Mitte Januar. Von einigen Mitarbeitern hatten wir schon erfahren, dass die Kindern nur rumsitzen, daddeln und Netflix gucken. Ferienjobs wie bei uns gibt es bei der hohen Arbeitslosigkeit hier nicht.
Als wir letzte Woche Lorna fragten, was die Kinder denn so in den Ferien machen, bekamen wir zur Antwort: “Sie machen den Eltern Kopfschmerzen.” 😉
Komische Verteilung: gestern hatten wir Patienten bis zum Umfallen; der Ausfall des Kinderarztes macht sich schon bemerkbar. Heute war ‘tote Hose’.
Deshalb haben wir die Gelegenheit genutzt, um die Ambulanz der MSF (médecin sans frontières/Ärzte ohne Grenzen) zu besuchen. Sie liegt zwar nur 1 1/2 Kilometer Luftlinie entfernt am gegenüberliegenden Rand von Mathare; wir waren aber angewiesen, nicht zu Fuß zu gehen, es könnte gefährlich sein.
Der Blick hinüber von MSF nach Baraka; dazwischen leben etwa 300.000 bis 500.000 Menschen.
Hermann vor dem lavander house
Interessant zu sehen, dass sie ein ganz anderes Konzept ihrer Arbeit haben als wir in Baraka. Sie bearbeiten neben kleineren Projekten im Wesentlichen zwei Bereiche: Emercency (Notfälle) und Sexual Violence (sexelle Gewalt). Für die Notfälle fahren sie mit eigenen Krankenwagen nach Mathare hinein und versorgen die reichlichen Unfälle an ihrer Durchgangsstraße. Sie machen Erste Hilfe in ihrer Ambulanz, aber keine Therapie, und verlegen sie in die umliegenden Krankenhäuser. So kommen z.B. Patienten mit Fraktur-Röntgenbildern zu uns zum Gipsen.
Für die sexuelle Gewalt haben sie ein großes Beratungszentrum, das lavendelfarbene Lavander-House, in das Frauen aus ganz Nairobi kommen können. Beides in einer 24 Stunden/7 Tage-Bereitschaft. Das Ganze wird ausschließlich von einheimischen Kräften (Ärzten, Schwestern, Sanitätern, Sozialarbeitern) unter dem Dach der MSF betrieben.
Ein Ziel, zu dem wir eines Tages auch gelangen wollen, was aber wegen unserer therapeutischen Ausrichtung nicht so einfach ist. Immerhin arbeiten die HIV/AIDS-, die Tuberkulose- und die Chroniker-Abteilung bei uns schon weitestgehend selbständig. Ich weiß nicht, wieviele medizinische Einrichtungen es allein im Mathare-Slum gibt; eine Vernetzung habe ich nicht erkennen können. Die Zusammenarbeit geschieht wohl meist aufgrund persönlicher Kontakte. Daneben gibt es noch die unzähligen ‘Chemists’, selbsternannte, unkontrollierte Apotheker, häufig aber nur Quacksalber, die den mittellosen Patienten das letzte Geld für unsinnige Medikamente aus der Tasche ziehen. (Ich hatte früher eine Reihe von Bildern in den Blog gestellt; hier noch eines)